IG Modellbau widmet sich Fliegerhorst Adelheide
Von 1935 bis zum Ende des zweiten Weltkriegs gab es den Fliegerhorst Adelheide, dessen geheimnisvolle Geschichte bis heute nicht erforscht ist. Die Interessengemeinschaft Modellbau in der Feldwebel-Lilienthal-Kaserne ist der Historie auf der Spur. Doch selbst Zeitzeugen können oft nicht weiterhelfen.
Stolze 136 Quadratmeter misst das Diorama des einstigen Fliegerhorsts Adelheide im Maßstab 1:87, an dem Projektleiter Ralf Werner Metschulat und Karl-Heinz Knief in der Feldwebel-Lilienthal-Kaserne inzwischen schon seit dem Jahr 2002 arbeiten. Viele der Gebäude, die auf der Modellplatte stehen, gibt es heute noch. Die Hangars auf dem einstigen Vorfeld und die Startbahn, die parallel zur heutigen Weverstraße verlief, aber natürlich nicht mehr. Das Modell kann einiges erzählen. So sind alle der rund 250 Flugzeugmodelle auf der Platte nachweislich mal vor Ort gewesen. Von manchen kennen Metschulat und Knief inzwischen durch Fotos oder Zeitzeugenberichte auch die Geschichte, die sie dann wiederum nachstellen.
Ein Flugplatz, viele offene Fragen
Doch mindestens ebenso spannend ist, was das originalgetreue Modell nicht erzählt. Denn für einen reinen Flugplatz war der Fliegerhorst Adelheide eigentlich deutlich überdimensioniert. So stellen sich den beiden Hobbyhistorikern etliche Fragen: Warum wurde ab April 1935 für Millionen von Reichsmark ein militärischer Flugplatz in Adelheide gebaut, obwohl es zu dem Zeitpunkt noch gar keine Luftwaffe gab, und das Neuenlander Feld zudem nur wenige Kilometer entfernt war? Und warum wurden mehrere unterirdische, sechs Meter hohe Hallen gebaut und Wasserstoffperoxidtanks errichtet, während doch der Flugplatz selbst nur eine einfache Grasnarbe bot? Zwar sind nachweislich mehrere Fliegereinheiten während der Kriegszeit in Adelheide stationiert, wie etwa die III. Gruppe des Kampfgeschwaders Boelcke, die der Kaserne später ihren Namen gab. Metschulat und Knief glauben aber nicht, dass die Militärfliegerei die einzige Nutzung war. Sie können sich sehr gut vorstellen, dass in Adelheide nicht nur geflogen wurde, sondern womöglich auch geheime Tests mit Flugzeugen, Raketen oder Hubschraubern stattfanden. Antwort könnten Dokumente aus jener Zeit geben. Doch da gebe es fast nichts, sagen beide. „Deswegen nennen wir ihn auch den vergessenen Flugplatz, weil es fast keine Unterlagen gibt“, sagt Metschulat Und auch Zeitzeugen konnten ihnen bislang nicht weiterhelfen. Oftmals hören sie von Leuten, die auf dem Gelände gearbeitet haben über die Geschehnisse auf dem Vorfeld: „Da kamen wir nicht ran, da durften wir nicht hin.“ Denn die Flugplatzanlage war militärisch abgeriegelt. Arbeiter und Ingenieure, die ab 1941 bei dem dann dort ansässigen Focke-Wulf-Musterbau-Werk gearbeitet haben, wurden demnach per Eisenbahn zu ihrem Arbeitsplatz gebracht. „Auf das Vorfeld kam man nicht, der Zugang war strengstens verboten und mit Sichtschutzwänden abgeriegelt.“ Das haben ihnen schon etliche Zeitzeugen erzählt. Und bis zu 2.500 Zwangsarbeiter sollen während des Krieges dort gearbeitet haben, sagt Metschulat. Übrigens glauben die beiden nicht blind alles, was ihnen Zeitzeugen aus der Erinnerung berichten. „Erst wenn drei oder vier Zeitzeugen, die sich nicht kennen, unabhängig voneinander dieselbe Geschichte erzählen, nehmen wir den Hinweis auf“, sagt Metschulat.
Tests von Serienhubschrauber
Was allerdings einwandfrei feststeht, dass ab 1941 die Firma Focke-Achgelis nach der Bombardierung ihres Werks in Hoykenkamp in Adelheide den ersten serienmäßig gefertigten Hubschrauber, die Focke Achgelis Fa 223 („Drache“) erprobt und auch erste Montagen durchgeführt hat.
Archivöffnung in 2015
Von Engländern und Amerikanern haben die beiden Hobbyhistoriker Luftaufnahmen erhalten. Allerdings dokumentieren sie nur die Zeit bis Sommer 1940. Ihre Hoffnungen setzen die beiden auf das Jahr 2015. Dann, 70 Jahre nach Kriegsende, öffnen die amerikanischen Behörden ihre entsprechenden Archive.
Hilfe für die Angehörigen von Vermissten
Aufgrund ihrer zahlreichen Recherchen sind Knief und Metschulat bestens informiert über die örtliche Fliegerei in Kriegstagen. So bekommen sie öfters Anfragen von Verwandten ehemaliger Kriegsflieger aus dem Ausland, die nicht genau wissen, was mit ihren Verwandten geschehen ist. Wie etwa das Beispiel des Feldwebels Blasius Wonneberger aus Salzburg. Seine Verwandten wussten, dass er im Krieg mit seinem Jagdflugzeug hier in der Region abgestürzt war. Doch wo er begraben war, wussten sie nicht. Die Familie vermutete ihn hier in der Region. Doch Knief und Metschulat konnten herausfinden, dass Wonneberger am 28. September 1943 gegen 8 Uhr, wohl infolge von schlechtem Wetter, auf seinem Flug zum Flugplatz Oldenburg über Ganderkesee abgestürzt war. Und: Er liegt auf einem Friedhof in Salzburg, nur einige hundert Meter von dem Haus der Verwandten entfernt begraben. Die Verwandten haben nun endlich Gewissheit. Das Modell von Wonnebergers Maschine hat Knief anschließend nachgebaut, es findet sich auf dem Diorama (siehe Foto). „So ein Modell wird sehr persönlich, wenn man die Geschichte dazu kennt. Es ist dann kein kaltes Flugzeug mehr“, sagt er.
Zeitzeugen gesucht
Inzwischen haben schon über 5.000 Leute das Diorama bewundert und ihre mehrstündigen Vorträge gehört, sagt Metschulat. Die beiden widmen sich dem Thema übrigens mit der Nüchternheit eines Historikers. Wer ihnen beiden helfen möchte, weiter Licht ins Dunkel zu bringen: Metschulat und Knief suchen dringend Bilder, Artefakte oder Zeitzeugen vom Flugplatz Adelheide aus der Zeit von 1935 bis 1945. Kontakt: 04221 – 74619 oder 04221 – 74619 (Ralf Werner Metschulat).