Wem stinkt es wirklich noch?
UNTERWEGS MIT DER MÜLLABFUHR
Sie räumen unseren Abfall weg, und zwar jeden Tag. Und sie haben manchmal immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen, Fußballbegeisterte benutzen ihre orange Uniform zum Beispiel als melodische Beleidigung des Nachbarlandes. Doch ohne sie würden wir bald im Dreck versinken Das Deldorado hat die Menschen besucht, die sich um den Müll der Stadt kümmern.
Angefangen hat alles mit zwei Ackerwagen, vier Zugpferden und fünf Mitarbeitern. Das Familienunternehmen Hadeler gründete am 29. September 1911 eine freiwillige Müll- und Fäkalienabfuhr für Delmenhorst. Ein Jahr später unterzeichneten sie die ersten Verträge mit der Stadt. Sebastian Koch, Betriebsleiter der heutigen ADG Abfallwirtschaft Delmenhorst, erinnert sich: „Ich glaube, damals wurden die Leute noch direkt an der Haustür bezahlt. Unser dienstältester Mitarbeiter kennt sogar noch die alten schweren Tonnen.“ In Zeiten dieser runden, eisernen Tonne war es eine harte, körperliche Arbeit, geprägt von niedrigem Ansehen. Ob blöde Sprüche oder der weitverbreitetem Eindruck, das sei eine Arbeit, die niemand machen wolle – der Beruf der „Mülllader“ litt unter gesellschaftlicher Demütigung. Das ist heute anders. Denn in der Abfallwirtschaft hat sich seit den Anfängen sehr viel verändert: Aus rund wurde eckig, aus Eisen Plastik. Erhältlich sind die Tonnen inzwischen in Blau, Schwarz, Gelb und Braun. Hochmoderne Technik erleichtert viele Arbeitsschritte. Die Fachkräfte für Kreislauf- und Abfallwirtschaft tragen zwar immer noch orange Uniformen, aber mit Stolz. Und ihre Arbeit geht längst über die Mülltonnenentleerung hinaus, auch in Delmenhorst.
Das Müll-Feeling
Ein Steckenpferd der ADG und der Stadt: der Aufräumtag „Delmenhorst … putzt sich heraus“. Dieses Jahr fand er bereits zum neunten Mal statt. Die ADG übernimmt die Logistik der Aktion und sponsert Getränke und Verlosungspreise, teilt alle Freiwilligen in Gruppen ein und verteilt Material wie Handschuhe, Müllsäcke und Greifzangen. „Uns ist es sehr wichtig, in Delmenhorst ein Bewusstsein für richtige Müllentsorgung zu erzeugen. Ein Blick auf zum Beispiel die ganzen McDonald’s-Tüten am Rand der Waschstraße zeigt, dass viele Leute noch kein Feeling dafür haben. Sie bedenken oft nicht, dass beispielsweise auch Tiere geschädigt werden können, wenn sie den Müll fressen“, stellt Koch fest. Und wer ehrlich zu sich ist, erinnert sich vielleicht doch an den einen oder anderen Müll-Fauxpas. Aus Versehen, natürlich. Ob jedem bewusst ist, wer die Tüte mit dem goldenen M letztendlich entsorgt?
Unterwegs im Revier: An der Riede
Drei Männer und ein Zwanzigtonner. Mit gekonnten Handgriffen rangiert Mesut Canakci das hochtechnisch ausgestattete Müllfahrzeug in die Straßen ihres Reviers. Durch eine Rückfahrkamera hat er alles im Blick. So geht es ruck, zuck. Kaum an den schwarzen Tonnen angekommen, springt er aus seinem Fahrercockpit und eilt seinen Kollegen Denis Henrich und Michael Rocco zu Hilfe. Ein, zwei Handgriffe – und schon hängen die schwarzen Tonnen kopfüber im Lkw. Dabei hat jeder seine eigene Grifftechnik, um die für sich richtige Drehung über das Handgelenk und die Füßen zu finden. So wird eine Tonne nach der anderen am schnellsten geleert. Denn viel Zeit haben die Männer nicht. „Alles muss schnell gehen. Dann hat man auch schneller Feierabend“, klärt Mesut grinsend auf. Ein paar Sekunden wird der Müll aus der Tonne geschüttelt, dann weiter zum nächsten Haus. Pure Routine. Der 42- Jährige mit deutsch-türkischem Migrationshintergrund arbeitet seit mehr als 13 Jahren bei der ADG. Angefangen habe er als „Lader“, die hinten auf dem Müllwagen stehen. Damals sei er noch jung gewesen und musste stets flexibel sein. Heute fährt er feste Touren und fühlt sich wohl in seinem Job und seinem Revier. Was er zu angeblichen Vorurteilen sagt? „Früher gab es die. Heutzutage ist das ein anerkannter Job. Ich meine, ganz ehrlich, Müll wird es doch immer geben, oder? Mein Job ist also sicher. Wer kann das denn schon behaupten? Mir gibt es Sicherheit für mein Haus und meine Familie.“ Entscheidend sei zudem der eigene Wille. Alles Einstellungssache? Nein. Auch die Gesundheit spiele eine große Rolle. „Manche machen ihren Körper mit dieser Arbeit auch kaputt“, gesteht Betriebsleiter Koch ein, „Es ist einfach sehr anstrengend. Da kann ich nur meinen Respekt aussprechen.“
Müllentsorgung auf Abruf
Ein Highlight in Delmenhorst ist das Müll-Mobil. Unter der Telefonnummer 04221-12764444 kann jeder Delmenhorster für Ordnung sorgen. Entdeckt jemand eine verdreckte Stelle auf öffentlichem Grund, so reicht ein Anruf. Die ADG kümmert sich dann in der Regel innerhalb der nächsten zwei Tage. Dazu zählen übrigens auch Stellplätze oder die bei Müllsündern beliebten Zwischenräume bei Glas- oder Textilcontainern. Im Jahr 2012 hat es etwa 150 solcher Einsätze gegeben. Doch in der Vergangenheit gab es auch den ein oder anderen unangenehmen Anruf. So nahm es manch ein Delmenhorster ganz genau und beschwerte sich über ganze 2 Minuten Verspätung. Wer den Mitarbeitern dagegen eine Freude machen möchte, der könne ein kleines Sachgeschenk, wie Schokolade oder ein Glas Marmelade, vor der Haustür platzieren, denn Bargeld dürfen die Mitarbeiter nicht annehmen. Ein kleines Dankeschön für das Abholen von fast 20 000 Tonnen Delmenhorster Müll