Vollzeitjobs? Kaum vorhanden – ein Blick auf den Delmen-horster Arbeitsmarkt
Bereits im Jahr 2010 wurde die Stadt Delmenhorst zur Hauptstadt der Mini-Jobber gekürt, denn mehr Teilzeitjobs als hier gibt’s nirgends. Nun hat das manager magazin anhand einer Statistik herausgefunden: Auch weniger Vollzeitjobs als hier gibt es fast in der ganzen Republik nicht.
Durchschnittlich sind in Deutschland 74,4 Prozent der Beschäftigten in Vollzeit tätig. In Delmenhorst sind es deutlich weniger. Hier arbeiten gerade mal 65,4 Prozent der Beschäftigten Vollzeit. Anders ausgedrückt: Nicht mal zwei von drei in Delmenhorst tätigen Arbeitnehmern arbeiten Vollzeit. Damit liegt die Stadt am absoluten Ende der Statistik aller deutschen Landkreise und Städte, knapp vor dem rheinlandpfälzischen Landkreis Kusel (65,2 Prozent), gleichauf mit Cochem Zell (ebenfalls 65,4 Prozent). Diese Zahlen ergeben sich aus einer Statistik, die das manager magazin anhand aktueller Zahlen der Bundesagentur für Arbeit erstellt hat.
Lage und Dienstleistungsgewerbe als Ursache
„Es liegt an der speziellen Lage von Delmenhorst im Speckgürtel zwischen Bremen und Oldenburg“, sagt Karin Kayser, Leiterin der Delmenhorster Arbeitsagentur. Die Betriebe der Stadt seien stark im Dienstleistungsbereich engagiert und dort sei es so, dass viele Tätigkeiten als Teilzeitjob ausgeführt würden. Was übrigens nicht bedeutet, dass Karin Kayser mit der Situation zufrieden ist. „Wir möchten gern möglichst viele Arbeitssuchende in Vollzeitjobs vermitteln. Wir würden uns freuen, wenn seitens der Arbeitgeber mehr Vollzeitstellen angeboten würden.“ Doch mehr als Gespräche führen und auf die Arbeitgeber versuchen einzuwirken kann auch sie nicht.
Kaum Veränderungen
Die Gründe dafür, warum hier so viele Menschen in Teilzeit und so wenige in Vollzeit arbeiten, haben sich seit Jahren nicht geändert, sagt Kayser. Bereits 2010 gab es eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung zu dem Thema Mini-Jobs. Demnach sind Mini-Jobs vor allem ein Phänomen der ländlichen Bereiche in Westdeutschland und werden vor allem von Frauen ausgeübt. Die Hans-Böckler-Stiftung führt das Vorkommen in ländlichen Bereichen besonders darauf zurück, dass es dort vielfach die klassische Rollenverteilung gibt: Der Mann geht arbeiten, die Frau kümmert sich um die Familie – und steuert einen Zuverdienst bei. Zudem ist in ländlichen Regionen die Vereinbarkeit von Job und Familie demnach nicht so stark gegeben, wie es in urbaneren Regionen der Fall ist. Was der Frau den Einstieg in eine Vollzeittätigkeit erleichtern würde. In Ostdeutschland war vor der Wende eine Vollzeittätigkeit von Frauen deutlich verbreiteter als im Westteil der Republik. Dieser Trend ist auch nach der Wiedervereinigung erhalten geblieben.
Mini-Jobs als Problem für Arbeitnehmer und Kommune
Langfristig kann es für die Frauen, die in Mini-Jobs stecken, problematisch werden. Mit diesen Tätigkeiten sind kaum Ansprüche auf soziale Sicherung verbunden und oftmals, auch das hat die Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden, sind sie nicht gut bezahlt. Auch für die Stadt selbst kann sich das Fehlen von Vollzeitjobs zum Problem entwickeln. In einer Kommune, in der im Verhältnis nur wenige Menschen einen Vollzeitjob haben, werden entsprechend weniger Steuern gezahlt. Entsprechend weniger kann die Kommune ausgeben, zum Beispiel für Infrastrukturmaßnahmen wie Straßensanierungen.
Arbeitslosenquote bei 10,7 Prozent
Was kein Geheimnis ist: Nicht nur beim Verhältnis Minijob zu Vollzeitjob sieht die Stadt schlecht aus, auch die Arbeitslosenzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Im Mai gab es im Stadtgebiet Delmenhorst eine Arbeitslosenquote von 10,7 Prozent, vor gut einem Jahr lag sie bei 10,8 Prozent. Deutschlandweit liegt der Schnitt bei 6,8 Prozent, in Niedersachsen sogar bei nur 6,6 Prozent. Einzige Beruhigung: Bei unseren Nachbarn in Bremen, wo die Zahl der Minijobber laut Hans-Böckler-Stiftung bei 19,8 Prozent liegt, sieht’s nicht besser aus. Mit einer Arbeitslosenquote von 11 Prozent liegt die Hansestadt sogar noch hinter Delmenhorst.