Graft: Stand der Dinge
INTERVIEW MIT DEM ERSTEN STADTRAT GERD LINDERKAMP
Seit Monaten erhitzt die Graft und ihre durch zu viel Wasser zerstörten Bäume die Gemüter. Im Gespräch mit dem Deldorado erklärt der Erste Stadtrat Gerd Linderkamp, was die Stadtverwaltung bislang unternommen hat.
Herr Linderkamp, seit vielen Monaten dürfen Bürger einen Teil des Stadtparks nicht mehr betreten, weil sie Angst haben müssen, von einem entwurzelten Baum erschlagen zu werden. Ist dies ein tragbarer Zustand?
Die teilweise Sperrung der Graft ist notwendig geworden, weil die Stadt als Eigentümerin der Graft alles tun muss und will, die Bürgerinnen und Bürger vor Gefahren zu warnen und zu schützen. Und es ist ja leider so, dass recht viele Bäume in der Graft nicht mehr hinreichend standsicher sind, also umstürzen und Menschen verletzen können. Das Stichwort lautet Verkehrssicherungspflicht.
Es wird suggeriert, dass im Rathaus an der Verbesserung der Situation gearbeitet wird. Doch außer dem Wiedereinschalten der Wasserwerkpumpen und einem Gutachten, das besagt, dass über 600 Bäume im und am Park inzwischen tot sind, ist wenig zu erkennen. Was wird konkret unternommen?
Es ist richtig, dass die alten Wasserwerkpumpen wieder in Betrieb genommen worden sind und auch ein Baumgutachten erstellt worden ist. Und es ist auch richtig, dass draußen vor Ort noch nicht viel zu sehen ist. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass Rat und Verwaltung untätig geblieben sind.
Zunächst möchte ich auf das Baumgutachten eingehen. Es wurde in Auftrag gegeben, um feststellen zu lassen, welche Bäume gesund und welche so krank und deshalb so standunsicher sind, dass sie zum Schutz der Menschen, die in der Graft Erholung suchen, gefällt werden müssen. Mit den Fällarbeiten soll möglichst noch in diesem Jahr begonnen werden, sobald der Boden gefroren ist. Dadurch versacken die Maschinen nicht und zudem nimmt der Boden nicht so viel Schaden. Beendet sein müssen die Arbeiten Ende Februar, also vor Beginn der Brut- und Setzzeit.
Und dann?
Anschließend können die teilweisen Sperrungen der Graft Stück für Stück wieder aufgehoben werden. Zudem hat der Rat beschlossen, dass ein Konzept erarbeitet wird, wie langfristig mit der Vernässung der Graft umgegangen werden soll. Auch hierzu wurde ein Gutachten beauftragt. Die ersten Ergebnisse haben die Gutachter am 4. Oktober im Planungs- und Umweltausschuss vorgestellt. Es wurde politisch beschlossen, den Gutachterauftrag um ein Konzept für eine verbesserte Oberflächenentwässerung zu erweitern. Die Wiederinbetriebnahme der Wasserwerkpumpen ist also nicht alles, sondern eine Sofortmaßnahme gewesen.
Zwar wurden die Pumpen des Wasserwerks wieder angestellt, doch geholfen hat es nur bedingt. Immer wieder gibt es nasse Stellen im Park. Wie erklären Sie sich das?
Diese Stellen entstehen durch Oberflächenwassereinfluss, also Niederschläge, die nicht versickern. Wir pumpen heute mehr Wasser als zu Zeiten der Trinkwassergewinnung. Diese sichtbaren Nasszustände hatten wir auch in den vergangenen Jahren während der Trinkwasserversorgung aus den Graften. Nur damals war das ein normaler Zustand, erst durch die öffentliche Aufmerksamkeit wird nun jede nasse Stelle begutachtet und kommentiert.
Wenn die zerstörten Bäume ersetzt werden, ist mit Kosten von mehreren 100.000 Euro zu rechnen. Wäre es nicht günstiger gewesen, den bestehenden Bestand zu retten?
Bei Bäumen ist es genau so wie bei anderen Pflanzen auch: Zu wenig Wasser ist schädlich, zu viel Wasser aber auch. Und auch bei den Bäumen gibt es Arten, die besser mit zu viel oder zu wenig Wasser zurechtkommen als andere Arten. Eichen und Buchen, die vorwiegend zu Schaden gekommen sind, kommen mit hohen Wasserständen deutlich schlechter zurecht als zum Beispiel Weiden oder Pappeln. Wenn Pflanzen zu lange in zu viel Wasser stehen, kommt es durch Pilze zu Schäden am Wurzelwerk, die nicht wieder zu heilen sind. Es bleibt dann nur die Möglichkeit, die Bäume zu fällen.
Wie soll die Neuanpflanzung finanziert werden?
Grundsätzlich über den städtischen Haushalt. Es gibt auch einen Vorschlag aus der Bevölkerung, die Wiederaufforstung über Baumpatenschaften zu finanzieren.
Hat die Stadtverwaltung überhaupt ein Interesse daran, die zerstörten Areale als Parkfläche zu erhalten oder liebäugelt sie mit der Renaturierung als Sumpflandschaft?
Es war bei allen bisherigen Überlegungen immer das Ziel, die Graftanlage als Naherholungsgebiet zu erhalten. Man kann die Graft daher nicht sich selbst überlassen, sondern muss sie gezielt renaturieren. Das Renaturierungskonzept liegt noch nicht vor, sondern muss noch erarbeitet werden.
Die Fronten zwischen Ihnen und dem Aktionsbündnis „Rettet die Graft“ sind verhärtet. Gehört zur vom OB einst zitierten Bürgernähe nicht auch der sachliche Umgang mit Kritik durch Bürger?
Wir sollten uns nicht so viel mit uns selbst beschäftigen, da es für die Lösung eines Problems bedeutungslos ist, ob und zwischen wem es irgendwelche Animositäten gibt. Davon abgesehen haben wir in Deutschland Meinungsfreiheit. Daher ist jede Bürgerin und jeder Bürger berechtigt, sich beliebig häufig und auch kritisch zu Wort zu melden. Und jeder hat das Recht, dass mit sachlicher Kritik auch sachlich umgegangen wird. Und so habe ich mich auch dem Aktionsbündnis gegenüber stets verhalten.
Wann können Sie den Bürgern konkrete positive Ergebnisse präsentieren?
Das haben wir bereits auf der gemeinsamen Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses am 4. Oktober getan.