GPS-Schnitzeljagd im Dunkeln
NACHTS UNTERWEGS MIT EINEM GEOCACHER
„Da ist was!“ „Wo?“ „Na, da vorn!“ „Ich sehe nichts!“ So ungefähr klingt es, wenn sich eine Unerfahrene im Geocaching versucht, in diesem Fall also ich. Ich sehe vieles: Schlamm, Schnecken und Frösche – nur die Verstecke nicht.
Geocaching ist eine moderne Form der Schnitzeljagd mit GPS-Gerät. Auch an Delmenhorst ist der Trend nicht vorbeigegangen, hier gibt es inzwischen schätzungsweise 150 Verstecke und 60 Sucher. Das Spiel ist international, im Internet findet man Koordinaten zu Caches auf der ganzen Welt. Als Cache (zu Deutsch „geheimes Lager“) bezeichnet man das zu findende Objekt und auch den Weg dahin. Geocacher spüren die Verstecke mithilfe eines GPS-Geräts auf. Dann wird der Name des Finders in ein Logbuch eingetragen, um den Beweis für den Fund festzuhalten. Anschließend wird der Behälter für die nächsten Geocacher wieder an derselben Stelle versteckt. Es gibt ein breites Spektrum verschiedenster Caches: Für einige ist sogar professionelle Kletterausrüstung erforderlich, denn sie können sich auf Bergen, Bäumen oder anderem schwierigen Terrain befinden – auf dem Meeresboden oder sogar auf der Raumstation ISS.
„Komm doch einfach mit!“
Matthias ist 24, Nautik-Student und Delmenhorster, er kennt sich in der lokalen Geocaching-Szene bestens aus: „Seit September 2011 habe ich 450 Caches gehoben“, erzählt er mir. Spontan bot er mir an, ihn zu einem „Nightcache“ zu begleiten. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen und stürze mich in das nächtliche Abenteuer.
Tatort Fuhlriedeweg
Es ist kurz vor 22 Uhr, gespannt warte ich auf Matthias. Noch habe ich keine Ahnung, was mich eigentlich erwartet. Aber wenigstens einer von uns ist gut ausgerüstet: GPS-Gerät, Stirnlampe, Handschuhe. Offensichtlich hat er an alles gedacht. Dann sitzen wir auch schon im Auto. Matthias gibt die Parkplatz-Koordinaten ein. Nicht mal für den Parkplatz gibt es eine Adresse! Wir fahren ein Stück und landen in der tiefsten Pampa. Moment mal! Wie war nochmal der Name des Caches? Tatort Fuhlriedeweg? Hier soll mal jemand ermordet worden sein. Das wundert mich nicht. An diesem abgelegenen Ort würde mich niemand schreien hören … Ich versuche, meine düsteren Gedanken zu verdrängen und konzentriere mich auf das Wesentliche. Das GPS-Gerät weist uns die Richtung und wir marschieren los, mittlerweile ist es stockduster um uns herum. „Wir laufen einen Multi, der aus mehreren Stationen, die aufeinander aufbauen, besteht“, erklärt mir Matthias.
Meine Talente liegen woanders
Gesagt, getan, und schon entdeckt Matthias den ersten Reflektor. Wohlgemerkt: Matthias sieht ihn. Ich muss mich direkt davorstellen, bevor ich etwas entdecken kann. Offensichtlich bin ich nicht gerade das, was man ein Naturtalent nennt. Ich dachte an auffällige Fahrrad-Reflektoren, aber dort leuchtet nur ein kleiner Reflektor-Klebepunkt, in etwa so groß wie eine 50-Cent-Münze. Matthias sucht die Umgebung ab und erklärt mir, dass sich der Reflektor in direkter Nähe zum Cache befinden müsse. Ich sehe aber nur Zäune und Feld, wo soll man denn hier bloß anfangen zu suchen?
„Das merkwürdige Ding“
Matthias jedoch zieht gekonnt einen Gegenstand aus einem der Zäune. Ein kleiner durchsichtiger Behälter mit neuen Koordinaten und der Inschrift „Official Geocaching – bitte nicht entfernen. Das merkwürdige Ding ist Teil eines offiziellen Spiels, einer weltweiten Schnitzeljagd mit GPS-Empfängern und Internet“. Matthias gibt die neuen Koordinaten in sein GPS-Gerät ein und verstaut den Behälter wieder sicher in seinem Versteck. Jetzt darf ich uns führen. Fasziniert starre ich auf das Gerät und folge dem Pfeil. Einen Hinweis kann ich aber wieder nicht entdecken.
Manchmal braucht man auch Glück
Doch diesmal weiß auch Matthias nicht weiter. Er reicht mir eine Taschenlampe. Ich leuchte nach oben, nach unten, nach rechts, nach links. Kein Klebepunkt. Die Pflanzen am Boden machen unsere Suche nicht einfacher. Aber das ist ja auch Geocaching und kein Wunschkonzert. Wir haben Glück, Matthias findet den Behälter auch ohne Hinweis. Das muss wohl Intuition gewesen sein. Oder einfach nur Glück. Mit den neuen Koordinaten gelangen wir an das Wegesende. Ich habe Schwierigkeiten, nach Reflektoren zu suchen, weil ich ständig auf den Boden leuchte. Hier sind überall Schnecken. Und Frösche auch. Die habe ich nicht so gern unter meinen Schuhen kleben. Doch dann sehe ich zum ersten Mal einen Reflektor. Matthias ermuntert mich, endlich selbst zur Tat zu schreiten.
Selbst ist die Frau
Unter mir schlammiger Boden, Brennnesseln … egal. Ich trete näher an den markierten Baum heran. „Wo soll denn jetzt hier was sein?“, frage ich verzweifelt. „Warm, warm …“ ermutigt mich Matthias. Aber ich stecke doch nicht meine Hand in unerforschte Baumlöcher. Also muss Matthias eingreifen. Beherzt zieht er einen dicken Ast aus einem der Löcher heraus. Wie hätte ich darauf auch kommen sollen? Das macht wohl die Erfahrung. Vielleicht stelle ich mich aber auch einfach nur dumm an – nein, es muss die Erfahrung sein! Zumindest haben wir jetzt die letzten Koordinaten. Kurz darauf kommen wir endlich beim finalen Cache an, hier muss der Schatz vergraben sein. Wieder ein markierter Baum. Matthias klettert um den Baum herum, auch hier ist alles zugewachsen, viel sehen kann man ohnehin nicht. Er verschwindet für einige Sekunden hinter dem Baum und taucht dann in Siegerpose wieder auf. Stolz zeigt er mir die kleine Dose, die er aus dem Baum geholt hat. In ihr ist ein kleines „Logbuch“, in das sich die Finder eintragen. Na also, wir haben es tatsächlich geschafft. Jetzt aber schnell wieder weg hier!