Die Mehrzweckkaserne?
BRENDEL/ADELHEIDE IM PORTRAIT
Früher Ganderkesee, heute Delmenhorst: Wer hätte gedacht, dass der Stadtteil Brendel/Adelheide mal zum Konflikt zwischen Delmenhorst und der Nachbargemeinde Ganderkesee führen würde? Dies und warum die Kaserne so wichtig für Brendel/Adelheide ist und war, wird in unserem Stadtteilporträt geklärt.
Angefangen hat alles im 19. Jahrhundert. 1817 gründete Ganderkesee eine Kolonie auf der Annenheide, die zu Ehren von Adelheid von Anhalt-Bernburg-Schaumburg-Hoym, Prinzessin zu Holstein-Oldenburg, Adelheide genannt wurde. Zunächst gab es 13 Anbaustellen, auf denen die Bauern ihre Höfe bewirtschafteten. „Brendel“ nannte man früher die Heide zwischen Schlutter und Delmenhorst, dieser Teil wurde von Ganderkeseern und Delmenhorstern (noch) gemeinschaftlich bewirtschaftet. Mehr als ein Jahrhundert lang baute man friedlich die Infrastruktur auf, ein erstes Elektrizitätswerk gab es bereits 1911, das Johann Moikow installierte. Und dem Werk verdankt Adelheide auch eine schöne Anekdote: Einer der Abnehmer war damals der Hoffroggesche Gasthof. Wenn dort Adelheides Einwohner Feste feierten, musste Sohn Heinrich Moikow bei der Dampfmaschine bleiben, damit es bei der Feier auch Licht gab. Ging das aus, wollte Heinrich seinen Standpunkt klarmachen: Ihm fehlte die „flüssige Nahrung“, die ihm dann ganz schnell von jemanden aus dem Gasthof gebracht werden musste.
Erst Ganderkesee, dann Delmenhorst
Zum Konflikt kam es in den 1930er-Jahren: Delmenhorst wollte sich im Süden ausdehnen und konnte sich 1935 die ehemalige Kolonie Adelheide einverleiben, dies hatte militärische Gründe: Delmenhorst war vorher zu einer Garnisonsstadt geworden und wollte in Adelheide einen Flugplatz anlegen, die Gemeinde Ganderkesee hatte sich einen anderen Standort gewünscht, zog in dieser Diskussion jedoch den Kürzeren, denn das Luftkreiskommando in Münster schlug sich auf die Seite der Stadt Delmenhorst, woraufhin diese beantragte, das komplette Adelheider Gebiet einzugemeinden. Schließlich waren mit einer Stationierung vom Militär erhebliche wirtschaftliche und steuerliche Vorteile verbunden. Dieser Antrag ging durch und schon am 24. August 1935 wurde vom Staatsministerium die Änderung der Grenze angeordnet. Delmenhorst war damit auf einen Schlag um 955 Hektar größer und um 745 Einwohner reicher. Der Ganderkeseer Verwaltung gefiel dies natürlich gar nicht, sie konnte aber nichts mehr dagegen tun.
Mit dem Militär begann eine ereignisreiche Zeit in dem Stadtteil. Nach der Eingemeindung fingen die Verantwortlichen sofort mit dem Bau eines geplanten Militärflugplatzes sowie der Kaserne an, die wir heute alle als Feldwebel-Lilienthal-Kaserne kennen. 1936 gab es die ersten Bewohner, die III. Gruppe des Kampfgeschwaders Boelcke unter Major Abernetti zog ein, deshalb heißt auch heute die Straße in Adelheide, die zur Kaserne führt, Abernettistraße. Neben der Kaserne blieb in Brendel/Adelheide überwiegend die ländliche Struktur erhalten. Und das kann man auch heute noch sehen, zahlreiche Gutshäuser säumen die Adelheider Straße, die durch ganz Brendel und Adelheide führt.
Nach 1945: Die Kaserne unter den Briten
1945 übernahmen dann die Briten das Regiment in der Kaserne, schottische Soldaten lebten dort, gaben aber sehr bald einen Teil des Flugplatzgebäudes zur Unterbringung der sogenannten Fremdarbeiter ab. Mehr als 20.000 „Displaced Persons“ gab es dort, also Leute, die sich wegen des Kriegs außerhalb ihrer Heimat befanden und nicht so einfach zurückkehren konnten. Es bildeten sich Banden, die Höfe ausraubten, Vieh abschlachteten und auch gegenüber der Delmenhorster Bevölkerung gewalttätig waren. Adelheide wurde zum Brennpunkt der Gewalt. Aber diese Phase dauerte zum Glück nicht lange an, denn irgendwann machten sich auch Politiker dafür stark, diesen Zustand zu beenden. Doch auch danach kam das Militärgelände einfach nicht zur Ruhe: Bis 1948 machten die Engländer daraus ein Umerziehungslager, in dem Anhänger der Nationalsozialisten unterbracht wurden. Dabei ging es gar nicht darum, diese Menschen zu bestrafen, sondern sie sollten von der Bevölkerung isoliert und resozialisiert werden. Zum Teil kam sogar Neid auf, denn die Verpflegung innerhalb des Umerziehungslagers war üppiger als die der Zivilbevölkerung. Bis 1948 bestand dieses Lager noch, dann entließ man auch die letzten fünf Insassen. Die erste Bundeswehreinheit setzte 1956 die Kaserne wieder instand.
Der Ist-Zustand
Und auch heute noch gibt es die Kaserne, in der viele Soldaten untergebracht sind. Man kann durchaus behaupten, dass diese das prägendste Element des Stadtteils ist und auch war. Nicht nur die Gaststätte Haus Adelheide lebt von den Soldaten und war früher ein Freizeitheim für das Militär, auch die St. Ansgar Kirche als katholische Garnisonskirche gebaut worden. Übrigens: Wegen ihrer ausgefallenen architektonischen Form wird diese im Volksmund auch „Seelenabschussrampe“ genannt. Neben den Kaserneneinrichtungen und der Kirche hat sich Brendel/Adelheide aber auch zu einem beliebten Stadtteil gemausert, in dem viele junge Familien leben. Einfamilienhäuser mit Garten sind hier die Regel. Im Ziethenweg gibt es zum Beispiel das neueste Baugebiet, wo viele Häuser gerade fertiggestellt wurden oder noch in Arbeit sind. So wird der Stadtteil Brendel/Adelheide sicher auch in Zukunft die beschauliche Gegend bleiben, die er außerhalb des Kasernengeländes schon immer war.