Die gute alte Zeit?
ALLES DREHT SICH UM STICKGRAS/ANNENRIEDE
Stickgras/Annenriede ist der letzte Stadtteil, der vorgestellt werden muss, um die Stadt komplett zu machen. Und es fällt auf: Erst beim genaueren Hinsehen entdeckt man die Vielfalt. Zudem scheint es so, als ob dieser Stadtteil früher vielleicht lebendiger war, als er es jetzt ist.
Stickgras/Annenriede: Los ging alles im 19. Jahrhundert, die Annenheide wurde geteilt. Vorher war die Annen-Gemeinheit im Allgemeinbesitz von Bauern, dann ging sie in Privatbesitz über. Eine Kolonie siedelte sich an dem Bachlauf an, der Annenriede genannt wurde und deshalb nannte man die Kolonie ebenfalls so. So entstand der jetzige Stadtteil Annenriede. Auch die Stickgraser Bauern gingen bei der Teilung der Annen-Gemeinheit nicht leer aus, sie erhielten ein Stück Land als Abfindung. So kommt es, dass Stickgras und Annenriede seit 1846 eng miteinander verknüpft sind. Doch das Leben in Stickgras/Annenriede war alles andere als ein Zuckerschlecken, vor allem für diejenigen, die nur über ein sehr kleines Stück Land verfügten. Diese arbeiteten in dem damals sehr reichen Nachbarland Holland, um ihre Familien ernähren zu können. Manche heuerten sogar auf Segelschiffen an, um auf Walfang zu gehen oder Robben zu jagen. Die Frauen, die daheimgeblieben waren, versuchten, ein wenig Geld zu verdienen, indem sie auf den größeren Bauernhöfen aushalfen.
Wer in Stickgras/Annenriede allerdings nicht klagen konnte, war die Firma J. H. Tönnjes, die es bereits seit 1832 gibt. Heute für die Herstellung von Kfz-Kennzeichen bekannt, startete das Unternehmen damals als Korkschneiderei. Bei der Gründung trug man die Firma übrigens irrtümlicherweise mit einem doppelten „n“ ein, aus diesem Grund gibt es die unterschiedliche Schreibweise von Firmen- und Familienname, der nur mit einem „n“, also „Tönjes“, geschrieben wird.
Einheitlich? Überhaupt nicht!
Der Hasporter Damm ist übrigens eine Grenze von Stickgras/Annenriede, die diesen Stadtteil von Düsternort trennt. Außerdem grenzt Stickgras/Annenriede an Hasport sowie bei der Syker Straße an Iprump/Stickgras. Stickgras/Annenriede ist nach Deichhorst der bevölkerungsreichste Stadtteil, über 10.000 Einwohner leben dort. Zahlreiche sicher auch in den Mehrfamilienhäusern rund um die Fridtjof-Nansen-Straße. Denn auch dieses Wohnviertel, das einerseits wegen seiner recht billigen Wohnungen beliebt, andererseits auch als sozialer Brennpunkt verschrien ist, gehört zu diesem Stadtteil, ebenso wie die malerisch gelegene soziale Heimstätte Gut Dauelsberg oder das Gewerbegebiet am Reinersweg. Dort baut das Handelshaus Legler gerade ein recht pompöses Geschäfts- und Wohnhaus, das zumindest diesen Abschnitt der Straße absolut dominiert.
Besonders interessant ist der Stadtteil sicherlich in den 70ern und 80ern gewesen. Am Reinerwegs, wo jetzt der Baumarkt Obi ist, gab es früher das Autokino. Dies eröffnete 1971 und hielt sich dort über 20 Jahre. 1992 wurde dann die Konkurrenz des immer vielfältiger werdenden Fernsehens zu groß und für das Autokino fiel die letzte Klappe. Der allererste Film, der dort gezeigt wurde, war übrigens „Die Frau des Priesters“ mit Sophia Loren. Allzu oft dürfte man diese Schauspielerin allerdings nicht auf der Leinwand des Delmenhorster Autokinos gesehen haben, denn der Besitzer setzte eher auf Sex- und Horrorfilme. Und auch heute noch erinnern sich die Delmenhorster, dass man auf den Film eher nicht so sehr achtete, wenn man als Pärchen dem Autokino einen Besuch abstattete.
Die Delmare-Zeit
Direkt gegenüber vom Baumarkt gibt es ein leeres und vermülltes Feld. Dieser Zustand dauert inzwischen ganze drei Jahre an. Zuvor stand dort das Sport- und Freizeitcenter Delmare. In den 80ern wurde es als Eislaufhalle gebaut. Recht bald konnte man dort auch anderen Sport machen. Doch die Besucher blieben aus und so musste man das Center Anfang 2000 schließen. Trauriger Höhepunkt: Delmare galt bereits als ein Schandfleck der Stadt, als das Dach des Gebäudes einstürzte. 2010 riss die Stadt das Gebäude dann ganz ab. Seitdem ist auf dem Gelände nichts mehr passiert. Aber man kann es sich fast bildlich vorstellen: Dort am Reinersweg, zwischen dem ehemaligen Autokino und dem ehemaligen Delmare, wird für ein paar Jahre sicher ordentlich was los gewesen sein.