Nerd sein hilft
PRODUZENT UND MUSIKER CHRISTOPH MATYSIAK
Der Delmenhorster Christoph Matysiak, einigen vermutlich auch unter dem Pseudonym Piet Doherty bekannt, wird demnächst wieder mit dem Satiriker und Moderator Jan Böhmermann auf Tournee gehen. Dem Deldorado berichtet er vorab, dass er mit Herz und Seele Musiker ist – und dass er unter dem Künstlernamen Chryzma jetzt mit etwas Glück auf dem Sprung in eine internationale Karriere ist.
Die älteren Semester unter den Delmenhorstern mit einem guten Gedächtnis für popkulturelle Entgleisungen werden sich an die 1996 gegründete und von Dieter Bohlen produzierte Boygroup Touché erinnern. Was vielen dabei vielleicht nicht bewusst ist: Die Delmenhorster Mitglieder der Gruppe waren Teil einer damals durchaus umtriebigen lokalen Musikszene. „Sarah Connor, Martin Scholz, Glenn Frey und auch ich: Im Grunde genommen sind wir alle Emporkömmlinge des Musikzweigs des Gymnasiums in der Max-Planck-Straße. Delmenhorst ist schon immer ein Stück weit ein Musiker-Moloch gewesen“, blickt Christoph Matysiak zurück, der seine ersten musikalischen Gehversuche gemeinsam mit den besagten und später prominenten Persönlichkeiten hier in Delmenhorst unternahm.
Charterfolge und Bühnenerfahrung
Von den damals nur neun Schülern im deutschlandweit ersten Musikzweig eines Gymnasiums überhaupt seien zwischenzeitlich einige im Geschäft gelandet. So auch er selbst. Nach dem Abitur gründete er zunächst ein Tonstudio in Bremen und produzierte dort unter anderem das Album „Halunke“ des Rappers Baba Saad, das auf Platz 16 der deutschen Albumcharts landen konnte. „Viel habe ich übrigens auch dem Moderator und Satiriker Jan Böhmermann zu verdanken, dessen Auftritte ich eine lange Zeit als Musiker begleiten durfte. Das passierte in Folge des Jingles, das ich vor einigen Jahren für das erfolgreiche Comedy-Format ‚Lukas‘ Tagebuch‘ geschrieben hatte.“ Anfang Juli dieses Jahres sei er dann erstmals auf EinsPlus als Böhmermanns Pianist in der Bremedia-Produktion „LateLine“ unter dem Pseudonym Piet Doherty aufgetreten. „Den Namen habe ich einer gewissen äußerlichen Ähnlichkeit mit dem englischen Musiker zu verdanken.“
Vorteil durch Strukturschwäche
Mit Böhmermanns Liveprogramm geht es im Laufe des Sommers dann demnächst erneut auf Tour, berichtet der entspannte Delmenhorster, der sich offenbar den einen oder anderen sympathisch-satirischen Charakterzug auch abseits der Bühne bewahrt hat. Das jedenfalls lässt sein augenzwinkernder Kommentar zu seiner Heimatstadt vermuten: „Es ist doch schön hier. Man ist alleine im Kino, der Einzige im Schwimmbad und im Einwohnermeldeamt muss man nicht anstehen. Man muss auch nicht ständig Parkplätze suchen. Vorteil durch Strukturschwäche“, stichelt Christoph Matysiak. Am Ende des Tages allerdings, resümiert er, wohne er gerne hier. Bremen sei zu groß, Ganderkesee oder Hude zu klein und irgendwie versnobt. Als Kind habe er immer in einer englischen Industriemetropole wie beispielsweise Birmingham leben wollen – da gebe es doch in Delmenhorst die eine oder andere kleine Parallele.
Technikaffinität hilft enorm
Doch mal abgesehen von zeitweiser Medienpräsenz und verträumter Industrieromantik: Sein Herzblut hängt am Produzieren von Musik. Nun hat der Begriff des Produzierens innerhalb der Musikbranche ja durchaus eine weit gefasste Definition – am passiven Ende des Spektrums stellt der Produzent lediglich das Studio und überwacht gegebenenfalls die Arbeitsabläufe. „Produzieren bedeutet für mich aber, dass ich die komplette Musik mache, Punkt. Ich sehe mich als Komponist“, sagt er. Und als Nerd – im positivsten Sinne allerdings: „Nerd sein bedeutet für mich in erster Linie eine gewisse Affinität zu technischen Spielereien an den Tag zu legen. Ich sage nicht, dass das als Produzent zwingend erforderlich ist, aber Detailverliebtheit ist in dem Beruf schon enorm hilfreich.“
Durchgestartet dank Onlineportal
Vor dem Hintergrund seines Rollenverständnisses als Produzent habe er zudem seit Kurzem das Remixen unter dem Pseudonym Chryzma für sich entdeckt. Dafür reduziert er ein bestehendes Musikstück auf das Nötigste und arrangiert es dann komplett neu. „Meistens nehme ich mir lediglich den Gesang heraus und komponiere dann damit ein ganz neues, eigenständiges Musikstück. Häufig höre ich mir das Original gar nicht erst an, um gedanklich völlig unbelastet an die Arbeit gehen zu können“, beschreibt er seinen Arbeitsprozess, der ihn regelmäßig bis in die frühen Morgenstunden auf Trab hält – und mit dem er schon nach kurzer Zeit beachtliche Erfolge feiern konnte: Besonders der erste Platz bei einem Contest auf der sehr branchennahen Webseite www.indabamusic.com habe ihm viele Möglichkeiten eröffnet. Dieses Portal, verdeutlich er, könne er jedem uneingeschränkt ans Herz legen, der sich eine musikalische Karriere aufbauen möchte.
Kontakte in die ganze Welt
„Das Onlineportal hat mein Leben verändert“, gibt er unumwunden zu. Diverse Aufträge aus Kanada, Frankreich oder den USA und sogar eine Anfrage zwecks Zusammenarbeit des Produzenten von Popsternchen Lady Gaga waren die Nachwirkungen des Wettbewerbs, in dem er mit seinem Remix „Hey Ocean! Big Blue Wave“ in sämtlichen Kategorien den ersten Platz abräumte. Erfolgreiche, internationale Karrieren sind zweifellos schon aus schlechteren Voraussetzungen hervorgegangen. Begünstigend wirkt sicherlich zudem, dass er sich auch auf persönlicher Ebene durchaus mit seiner Arbeit als professioneller Remixer anfreunden könnte: „Früher habe ich mich mit meiner Musik nie so recht in den Vordergrund getraut. Mit meinen aktuellen Stücken hat sich jetzt endlich die Situation eingestellt, dass ich mit Überzeugung sagen kann: Seht alle her, das ist von mir, darauf bin ich stolz!“