Politik vs. Verwaltung
WIRD DER HAUSHALT ZUR ZERREISSPROBE FÜR DELMENHORST?
Das Ringen um den städtischen Haushalt sucht seinesgleichen. Klar ist: Es muss unbedingt gespart werden, das ist aus Hannover so vorgegeben. Aber so richtig weiß niemand, wie und woran. Und in diesem Punkt droht der Streit zwischen Politik und Verwaltung zu eskalieren.
In keinem Jahr ist die Diskussion um den Haushalt ein Zuckerschlecken, dafür hat die Stadt Delmenhorst einfach viel zu wenig Einnahmen. Aber diese Haushaltsberatungen waren etwas ganz Besonderes – im negativen Sinne, denn im Januar stoppte die Kommunalaufsicht in Hannover den Delmenhorster Haushaltsentwurf. Das Innenministerium empfand die geplante Neuverschuldung von 5,5 Millionen Euro als viel zu hoch und wies die Stadt an, mindestens noch zwei Millionen Euro einzusparen. Als der Haushalt von der Kommunalaufsicht nicht genehmigt wurde, ging ein Aufschrei durch die Politik, beinahe jede Partei (bis auf die SPD) zeigte reflexartig auf den SPD-Bürgermeister. Der Frust war groß, jede Menge Zeit hatten die Ratsmitglieder schließlich in die Haushaltsberatungen gesteckt, ackerten dafür fast 600 Seiten Haushaltsplanungen durch. Viel zu spät habe Patrick de La Lanne der Politik mitgeteilt, dass der Haushaltsentwurf abgelehnt wurde. Diese Vorwürfe lehnt der Rathaus-Chef jedoch ab und ließ über eine Pressemitteilung verlautbaren: „Es muss mir gestattet sein, mich über Inhalte, die Auslotung von Lösungsmöglichkeiten und das Verfahren abzustimmen, um der Politik nicht unvorbereitet vorzutragen.“
Eskaliert der Streit?
Aber anstatt dass sich alle Parteien und die Stadtverwaltung gemeinsam nun daran machen, das Chaos zu bewältigen, sind die Fronten verhärteter denn je – und das Verhältnis zwischen Politik und Stadtverwaltung war noch nie das allerbeste. Zwar suchen alle Beteiligten Lösungsvorschläge, diese sind aber sehr gegensätzlich. Die Stadtverwaltung würde gerne Sanierungen im Schulwesen verschieben, so will das Max-Planck-Gymnasium eigentlich einen Biologieraum auf Vordermann bringen, dies sollte nach Wunsch der Verwaltung erst im Jahr 2014 passieren. Für die Politik allerdings undenkbar, sie möchte dem Haushalt zum Großteil durch Personaleinsparungen in der Verwaltung Luft verschaffen. Besonders der Fraktionsvorsitzende der Piraten, Andreas Neugebauer, tat seinen Ärger nach den Haushaltsberatungen kund: „Im Fachbereich für Soziales wurden diverse Einsparmaßnahmen ausgewiesen, die alle mit ‚Anpassung der Veranschlagung an die aktuelle Entwicklung‘ betitelt sind.“ Er habe daraufhin nachgefragt, was denn
darunter zu verstehen sei. „Die Antwort des zuständigen Fachbereichsleiters war sinngemäß, er hätte da einfach ein paar Zahlen aufgeschrieben, weil er dazu aufgefordert worden sei, wisse aber nicht, ob er diese auch erreichen würde. Hier findet also keine strukturelle Einsparung statt, sondern es wurden einfach Werte ausgewiesen, die aller Voraussicht nach nicht realisiert werden können, da es sich überwiegend um Pflichtleistungen handelt.“ Ein paar Tage später beantragte Neugebauer, dass im Jahr 2013 keine Neueinstellungen in der städtischen Verwaltung mehr vorgenommen werden sollten. Ebenfalls sollen frei werdende Planstellen bis auf Weiteres nicht neu besetzt werden. Marlis Düßmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, Volker Wohnig, Fraktionschef der Linken, und der CDU-Fraktionsvorsitzende Kristof Ogonovski sehen dies ähnlich. „Im Stellenplan der Stadt sind 200.000 Euro Mehrkosten vorgesehen, das kann nicht sein, man sollte besser schauen, wo es Schnittstellen gibt“, so Ogonovski. „Diese konfrontative Haltung bringt keinen weiter“, findet hingegen SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Meyer-Garbe. „Politik und Rat schaffen es nur zusammen, die Finanzlage der Stadt in den nächsten Jahren zu wuppen.“
Was sind die Möglichkeiten?
Zurzeit sucht jeder nach Lösungen – und da haben die unterschiedlichen Parteien recht unterschiedliche Vorstellungen. „Wir Grünen fragen in aller Deutlichkeit: Wie viele Schulen, Familienzentren, Kindergärten und Kitas können wir in Hinblick auf den demografischen Wandel noch leisten? Wir müssen Doppelstrukturen erkennen und beheben. Jetzt haben wir die Chance, unbequeme Reformen durchzuführen, die wirklich sehr nötig sind“, sagt zum Beispiel Marlis Düßmann. Auch Kristof Ogonovski ist für solche Reformen: „Unbequeme Entscheidungen machen niemandem Spaß, aber wir sind auch dafür gewählt worden.“ Allerdings will er bei dem Thema Schulschließungen vorsichtig sein, er möchte lieber schauen, ob die Einnahmen nicht doch höher sind als erwartet, da die kommenden Einnahmen sehr konservativ berechnet wurde. Andrea Meyer-Garbe möchte an Kleinigkeiten wie den Telefongebühren, die immer recht hoch sind, sparen. Zudem glaubt auch sie, dass die Einnahmen 2013 vielleicht höher ausfallen als geplant.
Wo sich alle Parteien einig zu sein scheinen, ist, überall nach eventuellen Doppelstrukturen zu schauen, zum Beispiel gibt es Pläne, die städtische Wirtschaftsförderung mit dem Stadtmarketing zusammenzulegen. „Das allerschlimmste wäre es, keinen Haushalt zu verabschieden“, sagt die SPD-Fraktionsvorsitzende. „Dann könnten wir nicht nur keine freiwillige Leistungen an Vereine mehr zahlen, wir könnten auch keine Ausschreibungen mehr machen, das gesellschaftliche Leben in der Stadt käme zum Stillstand.“ Auch Kristof Ogonovski sieht den Ernst der Lage: „Delmenhorst muss zukunftsfähig bleiben. Die Gefahr besteht, dass Delmenhorsts Kreisfreiheit irgendwann verloren geht, wenn wir die Strukturen nicht ändern.“ Am 6. März soll über den Haushalt abgestimmt werden – es bleibt spannend.