Nächster Versuch
INNENSTADTKAUFLEUTE HABEN HEHRE ZIELE
Mit frischem Elan und kreativen Ideen wollen die City-Kaufleute die Innenstadt beleben. Und es wird höchste Zeit, denn um ein Haar hätte selbst der Sprecher der Innenstadtkaufleute, Christian Wüstner, sein Geschäft in der Langen Straße aufgegeben.
„5 vor 12“ hieß die im vergangenen Jahr gestartete Initiative der City-Kaufleute, die sich mit einer groß angelegten Umfrage ausführlich und selbstkritisch mit dem Ist-Zustand der Innenstadt auseinandergesetzt hat. Seit Mitte Januar ist das Ergebnis online (www.bürgerbefragung-delmenhorst.de) einzusehen. Was gefällt den Kunden an Delmenhorst, was mögen sie überhaupt nicht – schonungslos deckt die Umfrage Stärken, aber auch vor allem die Schwächen auf. Geschätzt wird zum Beispiel die gute Beratung in den Geschäften vor Ort und auch der Wochenmarkt, weniger Anklang finden das Öffnungszeitenchaos und die mangelnde Aufenthaltsqualität.
Die zusammengetragenen Ergebnisse sind nicht allzu neu und überraschend, doch die Kaufleute scheinen sie nun mit einer neuen Ernsthaftigkeit anzugehen. Diese kritische Auseinandersetzung ist auch bitter nötig. Denn nicht nur immer weniger Bürger kommen in die Innenstadt, wo es inzwischen rund 30 Leerstände gibt. Selbst ihr Sprecher, Christian Wüstner, der am Schweinemarkt den Computer- und Videospieleladen Gameground betreibt, stand kurz davor, sein Geschäft in der Innenstadt aufzugeben. „Wir standen vor der Wahl: das Geschäft aufgeben oder renovieren. Wir haben uns für renovieren entschieden.“ Und damit der Stadt womöglich einen großen Dienst erwiesen. Denn welche Lobby oder Schlagkraft hätte eine kränkelnde Innenstadt, wenn sogar ihr Sprecher aus Perspektivlosigkeit die Stadt verlässt?
Erste Ansätze
Die Kaufleute kennen ihre Schwierigkeiten, ein Hauptpunkt sind die Öffnungszeiten. „Damit steht und fällt alles“, sagt Wüstner und verspricht: Bis Ende März sollen 100 der rund 140 City-Geschäfte „kundenfreundliche“ Kernöffnungszeiten haben. Als kundenfreundlich haben die Kaufleute montags bis freitags bis 19 und am Samstag bis 16 Uhr festgelegt. Auch sollen unter anderem Sitzbänke angeschafft werden, um es König Kunde in der City angenehmer zu machen und ihn zum Verweilen einzuladen. Angedacht ist für die Finanzierung eine Drittel-Lösung. Ein Drittel übernehmen die Innenstadtkaufleute, ein Drittel steuert die Stadt bei und ein Drittel übernehmen Bürger durch eine Tombola-Aktion. Dass der Bürger zur Finanzierung mit herangezogen wird für etwas, was letztlich dem Gewinn der Kaufmannschaft dient, könnte man den Kaufleuten als Geiz auslegen. Doch der Grund ist ein anderer. „Wir haben die Rückmeldung bekommen, dass sich auch manche Bürger bei der Verschönerung der Stadt einbringen möchten. Die Gelegenheit möchten wir ihnen geben“, so Wüstner. Und da sich unter den rund 140 Geschäften auch finanzstarke Institutionen wie Banken befinden, die für ihr lokales Engagement bekannt sind, dürfte auch der Kaufleute-Anteil an der Finanzierung keine unüberwindbare Hürde darstellen.
Nicht nur „Zahlvieh“
Beim städtischen Anteil dürfte es indes schwieriger werden. Die Politik muss für den Haushalt 2013 noch etwa zwei Millionen Euro einsparen, bis er von der Kommunalaufsicht in Hannover genehmigt wird. Da werden die Politiker ins Grübeln und Streiten kommen, ob sie für eine von den Kaufleuten angedachte Senkung der Parkgebühren oder Sitzbänke für die Innenstadt die Hand heben. Doch Christian Wüstner, der sich künftig eine bessere Kommunikation mit der Stadtverwaltung wünscht und nach einem ersten Gespräch mit Oberbürgermeister de La Lanne in diesem Punkt auch zuversichtlich ist, sagt in Bezug auf finanzielle Erwartungen an die Stadt: „Ich finde, dass man auch Erwartungen stellen darf. Wir Kaufleute können nicht immer nur das Zahlvieh sein.“ Immerhin erwirtschafteten seine Kaufmannschaftskollegen und er auch Steuereinnahmen.
Nie genug Parkpätze
Eine Forderung, die von den Kaufleuten immer wieder kommt, ist die nach mehr Parkplätzen. Egal ob auf dem Rathaus-, dem Bismarckplatz oder neuerdings auf der Wiese, wo einst das Hotel am Stadtpark stand: Parkplätze gibt es in der Innenstadt anscheinend nie genug. Doch erst kürzlich hat die Verwaltung den Dienstparkplatz an der Hundewiese geräumt und so 13 Stellplätze für das öffentliche (Parkschein-)Parken freigegeben. Günstiger werden soll das Parken übrigens auch noch. 50 Cent pro Stunde, die erste Stunde frei, diese Regelung würden die Kaufleute gern realisiert sehen. Christian Drieling, ehemaliges Ratsmitglied der Piraten, setzte sich neulich kritisch mit den Plänen der City-Kaufleute auseinander. Seine Meinung zum Thema Parken mit städtischem Zuschuss ist klar: „Aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass der wirtschaftliche Erfolg der Kaufleute durch unseren klammen Haushalt subventioniert werden muss. Die Kaufleute sollten meiner Meinung nach hier weniger fragen, was die Stadt für sie tun kann und sich überlegen, was sie für die Stadt tun können.“ König Kunde jedenfalls wird auch in Zukunft genau beobachten, wer was für ihn tut und sein Kaufverhalten entsprechend abstimmen.