Heute Wohngebiet, früher industrielle Revolution
DWOBERG/STRÖHEN IM FOKUS
Es gibt Stadtteile, bei denen fallen einem sofort bestimmte Gebäude, Plätze oder Straßen ein. Und dann gibt es Dwoberg/Ströhen. Warum sich ein zweiter Blick dennoch lohnt, erklären wir in unserer Serie „Stadtgesichter“.
Hier geht es eher beschaulich zu: Dwoberg/Ströhen ist ein gemütlicher kleiner Stadtteil mit über 8.000 Einwohnern (Stand 2010). Dwoberg grenzt an Deichhorst und das Ganderkeseer Elmeloh, Ströhen an Schafkoven/Donneresch sowie an Bungerhof. Insbesondere Dwoberg besteht vorwiegend aus Einfamilienhäusern sowie Ackerflächen. Auch in Ströhen findet man zu einem Großteil Einfamilienhäuser, ab und an gibt es jedoch auch Mehrparteienhäuser. Allerdings ist hier auch das alteingesessene Bauunternehmen Petershagen ansässig sowie die Gärtnerei Arkenau im Ströhenweg. Letztere übrigens bereits seit über 100 Jahren: 1905 von Hinrich Arkenau errichtet. Auch die jetzige Wilhelm-von-der-Heyde-Oberschule in der Uhlandstraße trägt seit den 70er-Jahren zu der Belebung des Stadtteils bei. Verbunden wird Dwoberg mit Ströhen vor allem durch die Landwehrstraße. Diese und die die dazugehörende Bahnunterführung gibt es erst seit 1983, damals wurde die Straße plus Unterführung gebaut, um die Innenstadt vom Bahn-Durchgangsverkehr zu entlasten, das Ganze kostete 10 Millionen Mark.
Der gute Ton
Noch etwas fällt in vor allem in Dwoberg auf: Es gibt eine Ziegeleistraße, eine Töpferstraße, eine Straße namens Hinter der Ziegelei und eine, die Hinter dem Tonstich heißt. Zudem kann man Baugrundstücke im Baugebiet „Ehemalige Ziegelei am Dwoberg“ erwerben. Dies deutet auf die Vergangenheit von Dwoberg/Ströhen hin. „Dwo“ ist nämlich das alte Wort für Lehm oder Ton und davon gab es hier reichlich. Bereits seit dem 13. Jahrhundert galt diese Gegend als Heimat der Steinbrenner. Dwoberg war früher der Ort der Töpfer, damals wurde in Alt-Dwoberg angeblich in jedem zweiten Haus eine Töpferei betrieben, 1855 zum Beispiel insgesamt neun Stück.
Industrielle Revolution
Aber dieser Zustand sollte nicht ewig währen. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts gerieten die Delmenhorster Töpfereibetriebe in arge Probleme – Töpferprodukte waren nicht mehr angesagt, zu diesem Zeitpunkt kamen industriell gefertigte Ton- und Emaillewaren in Mode. Der Töpfereibranche ging es schlecht. Was tun? Johann Hinrich Zange, Sohn einer Töpferfamilie, wusste Rat und passte sich den Gegebenheiten an: Er schwenkte von Tonwaren um zur Produktion von Ziegeln und Dachpfannen und baut dafür eine große Ziegelei – die Ziegelei Zange ist sicher vielen Delmenhorstern auch heute noch ein Begriff. Der damalige Bauboom durch die Industrialisierung half ihm beim Aufbau seiner Ziegelei sehr, zudem sicherte sich Zange auch selbst die Nachfrage, in dem er damals Ländereien ankaufte, diese durch Straßen erschloss und dann wieder an Bauwillige verkaufte. Andere taten es ihm gleich und so gab es neben der Ziegelei Zange auch weitere große Ziegeleien wie die Ziegelei Twisterling oder Ziegelei Oetken.
Ende der Dwoberger Industrie
Die Ziegelei Oetken brannte jedoch bereits 1942 bei einem Luftangriff im Zweiten Weltkrieg ab. Die anderen Ziegeleien gab es noch bis in die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Zu dieser Zeit fand ein Ziegeleien-Sterben statt und auch die Delmenhorster Ziegeleien blieben davon nicht verschont. Sie mussten alle nach und nach schließen. So wurde zum Beispiel 1964 der 48 Meter hohe Schornstein der Firma Twisterling wegen Einsturzgefahr abgerissen, 1966 musste dann die ganze Ziegelei stillgelegt werden. Das Unternehmen Zange blieb noch bis 1967 in Betrieb. Anfang der 70er-Jahre sorgte eine kleine Ziegelei hinter dem Tiergarten noch einmal kurz für Furore in den Zeitungen: Dort wurden nämlich gestohlene Gemälde von Arthur Fitger gefunden. Heute gibt es in Dwoberg/Ströhen keine einzige Ziegelei mehr. Nur noch die Namen der Straßen erinnern an die rasante Vergangenheit dieses beschaulichen Stadtteils.