Eine Straße, die entzweit
PLANUNG DER B212NEU SPALTET DIE REGION
Straßen sollen Menschen verbinden und Wege verkürzen. Doch die B212neu, die zwar noch nicht gebaut, aber an der seit rund 15 Jahren herumgeplant wird, scheint die Stadt und das Umland immer stärker zu spalten, statt sie zu einen.
Seit sage und schreibe den 80er-Jahren gibt es Planungen für eine Bundesstraße, welche die Wesermarsch besser an die Region und an Bremen anbindet. Und es werden wohl noch einige Jahre vergehen, bis eine solche Straße wirklich gebaut wird. Die ursprüngliche Idee hinter diesem heute als B212neu bekannten Bauprojekt klingt positiv: Die Straße soll die Wesermarsch besser an das Land Bremen anbinden und Berne von starkem Durchgangsverkehr entlasten. Doch inzwischen sind viele Beteiligte der Region, die seit Jahren die Planung beobachten, der Ansicht, dass die Straße vor allem auch dazu dienen soll, um dem geplanten, privat zu finanzierenden Bremer Weser-Tunnel Verkehrsströme zuzuführen. Leidtragende des derzeitigen Planungstands sind die Kommunen Delmenhorst und Ganderkesee. Wird die vom Bundesverkehrsministerium inzwischen festgelegte Südvariante der Straße tatsächlich realisiert, die durch Deich- und Sandhausen verlaufen soll, befahren künftig täglich mehr als viermal so viele LKWs wie bisher die Stedinger Straße. Denn die Fahrt durch die Stadt wäre von der neuen Bundesstraße aus der kürzeste Weg zu den Autobahnen A1 und A28.
Ganderkesee gegen die Achse
Schon im Sommer hatte Ganderkesees Erster Gemeinderat Rainer Lange in einem Interview mit dem Deldorado angedeutet, dass er nicht damit rechnet, dass es eine gemeinsame Position mit dem Nachbarn Delmenhorst zum Thema B212neu geben wird. Auf den ersten Blick haben beide Kommunen in der Tat unterschiedliche Interessen. Ganderkesee ist vom Bau der Straße nicht direkt betroffen. Doch über der Gemeinde schwebt das Damoklesschwert der sogenannten Entwicklungsachse, planerisch als B213neu bezeichnet. Diese vom Bundesverkehrsministerium vorgeschlagene und ebenfalls noch zu bauende Straße, die westlich von Delmenhorst über das Territorium der Gemeinde Ganderkesee verliefe, soll für eine verkehrliche Entlastung in Delmenhorst sorgen. Nicht verwunderlich, dass die Gemeindeverwaltung und ihre Politiker dagegen sind. Mitte Dezember ließ der lokale Landtagsabgeordnete Christian Dürr (FDP) per Pressemeldung verlautbaren, dass die Achse nicht vom Land für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet worden sei. „Das ist eine gute Nachricht für Ganderkesee, über die ich mich wirklich freue“, äußerte Dürr dazu. Doch die Freude über diese vermeintlich gute Nachricht könnte sich als verfrüht entpuppen. Denn die Planung durch die Landesbehörde für Straßenbau in Oldenburg dazu sind mitnichten abgeschlossen. Das bestätigt auch deren Geschäftsbereichsleiter Joachim Delfs. „Wir warten die Linienbestimmung ab.“ Denn das Land Niedersachsen übernimmt zwar die Planung der neuen Straße. Doch nur, weil der Bund über keine eigene Planungbehörde für seine Fernstraßen verfügt. Somit kann das Land, das im Auftrag des Bundes tätig wird, Vorschläge einreichen, doch Herr des Verfahrens ist der Bund. Und der, das wurde mehrfach deutlich, hat erkannt, dass Delmenhorst ohne unterstützende Maßnahmen unter einem unerträglichen Mehrverkehr leiden würde.
Heftige Kritik an der Planung
In Delmenhorst ist man über die langwierige Planung der Straße äußerst unglücklich. Schon mehrfach hat Oberbürgermeister Patrick de La Lanne öffentlich seinen Unmut darüber geäußert, dass diese Variante der neuen Straße erheblichen Mehrverkehr in die Stadt bringen wird. Entsprechend herrscht parteiübergreifend der Konsens, dass die Planungen neu aufgerollt werden müssten. So sagt etwa Susanne Mittag (SPD): „Mit dieser Planung tut man der Bevölkerung keinen Gefallen, weder in Ganderkesee, noch in Delmenhorst oder der Wesermarsch.“ Denn neben Delmenhorst und Ganderkesee mit ihren jeweiligen Standpunkten zur neuen Straße leidet auch die Wesermarsch, weil sie weiterhin auf ihre bessere Verkehrsanbindung warten muss. Mittag kritisiert zudem, dass die Straße dazu dienen soll, dem Weser-Tunnel Verkehre zuzuführen. „Würde der Tunnel über den Bund oder die Länder finanziert, wäre dieser Straßenverlauf gar nicht nötig.“ Sie glaubt, dass auch ein drei- statt vierspuriger Bau der neuen Straße ausreichen würde. Auch Annette Schwarz, Landtagsabgeordnete der CDU, kritisiert die Planung als „vergurkt“ und wünscht sich ein Neuaufrollen. Schwarz, Mittag und auch die Verwaltungsspitze würden sich statt der Südvariante – ob nun mit oder ohne Entwicklungsachse – lieber die sogenannte verkehrsoptimierte Nordvariante wünschen, welche die Stadt erheblich weniger belasten soll. Die Interessengemeinschaft (IG) B212neu indes, die sich ebenfalls seit Jahren und zudem sehr sachlich mit dem Thema auseinandersetzt, geht davon aus, dass es durchaus noch zu einem Rechtsstreit über die vielfach kritisierte Planung kommen könnte. Entsprechend hat sie einen Klagefonds eingerichtet. „Ich möchte keine Zahlen nennen, aber eine Klage können wir damit bereits bestreiten“, sagt Vorsitzender Uwe Kroll. Auch der Oberbürgermeister hat bereits mehrfach angekündigt, dass die Stadt, sollte die Südvariante zweifelsfrei planerisch feststehen, dagegen klagen wird. Bleibt zu hoffen, dass es nicht so weit kommt, sondern dass Bund, Land und die betroffenen Gemeinden noch eine einvernehmliche Lösung finden.